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Meine Reiseberichte
Mittelamerika- & Chile-Reisen Frühjahr/Sommer 2011
    - mit Fotos -
Reisebericht vom 3. Haiti-Aufenthalt im Mai 2011

Alles war eingefädelt. Reinhard Riedl, der ja meistens in München weilt, ist gerade in Haiti. Wilhelm und Joachim haben von Kuba aus gebucht, um uns im Nachbarland von Haiti, der Dominikanischen Republik, zu treffen. Die Beiden haben seit längerem Kontakte zu einer großen Baufirma in der Hauptstadt Santa Domingo, die ein Angebot für 10 000 Häuser an die Bill Clinton Stiftung abgegeben hat. Damals im Dezember haben wir das alles geplant und denen angeboten. Wir wollen die Systembautechnik für Holzrahmenbau und das Holz liefern. Mit dieser genialen Technik befasse ich mich seit über 20 Jahren und baue seit dem Häuser ausschließlich auf diese Art. Allerdings kommt bei dem Haitiprojekt seit Monaten immer wieder etwas dazwischen. Es sind oft nur kleine Zeichen, die mich hellhörig machen. Vielleicht sollen sie mir bedeuten, dass es doch nicht mein Weg ist, mich dort weiter zu Engagieren. Ein Zeichen könnte sein, dass zu meinen 4 Vorträgen, die ich über meine Erfahrungen in Haiti im Januar, anlässlich des ersten Haubaus hielt, nur beim Ersten viele Zuhörer kamen. Seit Japan ist Haiti offensichtlich nicht mehr präsent in den Köpfen. Wer weiß z. B. schon, dass sie seit kurzem, einen neuen Präsidenten, einen ehemaligen Sänger, haben.
 
Also bin ich, das Zeitfenster nutzend, trotz Bedenken, doch geflogen. Es ging sehr gut, dank meines aufblasbaren Nackenkissens und einer Schlaftablette, steckte ich nicht nur die fünfstündige Zugfahrt nach Frankfurt, den zehneinhalbstündigen Flug und die sechsstündige Zeitverschiebung, gut weg. Zu Hause war ich immer noch geplagt von starken Nacken- und Schulterschmerzen und ich hatte etwas Bedenken, dass das lange Sitzen, dem nicht förderlich sein könnte.
 
Ehrlich gesagt, war mir selber nicht ganz wohl, nicht mal zwei Monate nach meinen schweren Unfall , bei dem mir unser 6 to Geländestapler über Kopf und Schultern rollte, wieder eine Fernreise und noch dazu nach Haiti anzutreten. Was habe ich alles angestellt, wie ich das erste mal, im Dezember 2010 dort war. Choleraimpfung und spezielles Antibiotika, Mückenmittel gegen Malaria, alle Vorsichtsmaßnahmen die eben ein Deutscher so braucht. Ich hab ehrlich gesagt, dieses mal nicht mal mehr daran gedacht und bin bei dieser Reise einfach nach meiner Philosophie verfahren, „dass der Wille der Chef ist und nicht der Körper“! Über Letzten bin ich übrigens sehr zufrieden. Ich habe mich weiter sehr gut erholt und fast schon wieder die alte Kraft zurück. Schaffe sogar wieder 10 Liegestütze (-: was vor ein paar Wochen noch unmöglich gewesen wäre. Vielleicht tut mir auch die Hitze gut. Es regnet fast jeden Tag einmal, wodurch es dementsprechend schwül ist und ich sehr viel schwitzte.
 
Eingeladen nach Haiti war ich von Reinhard Riedl, dem Ehemann von Nadin, der Hotelbesitzerin des Hotels „Montana“, auf einem Berg mitten in der 2,5 Millionen-Stadt Port-au-Prince gelegen, wahrscheinlich der schönste Platz der Stadt. Unsere Freundschaft kam dadurch zustande, weil Reinhard bis vor 4 Jahren eine Zahnarztpraxis in Bad Aibling hatte und wir bei meinem letzten Aufenthalt im Januar, als ich das erste Holzhaus baute, sehr intensiv über eine Holzbauschule diskutierten.
 
Das Hotel selber ist eingestürzt, es gab 100 Tote, darunter sehr viele Amerikaner, dessen Militär auf der Suche nach toten Amerikanern, den meisten Schutt wegräumte. Wie groß das Hotel war, lässt sich daran nachvollziehen, dass das wegräumen des Hotelschutts einen Wert von rund 5 Millionen Dollar hatte. Allerdings stellte das amerikanische Militär für ihre gesamten Leistungen in Haiti später eine Rechnung von 550 Millionen Dollar, die von den 9 Milliarden Dollar gespendeten Hilfsgeldern, die darüber hinaus bis jetzt kaum abberufen wurden, bezahlt.
 
Da der Berg steil ist, wurde nicht nur nach oben, sondern auch terrassenförmig nach unten gebaut, so dass die Zimmer mit der Rückwand wie ein Keller, in der Erde steckten, was in dem heißem Klima auch einen kühlenden Effekt hat. Aber nicht nur das, die Erde dämpfte auch die Stöße des Bebens, so dass sich diese Gebäude nicht hochschaukeln konnten und dadurch noch 40 Zimmer erhalten blieben. In einem davon wurde ich einquartiert. 250 Zimmer und Apartments haben die Riedls verloren.
 
Erfolg und Ernüchterung:
 
Die Idee eine Holzbauschule zu gründen, finden alle gut. Wichtig dabei ist, dass die Leute hinterher mit dem entsprechenden Baumaterial versorgt werden. Mit Riedls 32 jährigem Schwiegersohn, ein absolut netter junger Mann, der 6 Jahre in Kanada studierte und mit seiner Familie ein Importgeschäft betreibt, hatte ich lange Gespräche bezüglich Holzimport und Häuserverkauf. Er sagte, dass in Haiti bis zu 90 % Analphabeten sind und diese Leute nie und nimmer einen Kredit bekommen, um aufzubauen. Diesen Leuten geht es jetzt sogar besser als vor dem Beben, da sie im Gegensatz zu früher, wo sie auch schon sehr primitiv lebten, seit dem mit Essen und Trinkwasser versorgt werden. Das nächste große Problem ist die Grundstücksfrage. Viele Grundstücke gehören zwar den Leuten, sind aber nicht ins Grundbuch eingetragen und können deshalb nicht mit festen Häusern bebaut werden. Andere wiederum haben ihre Behelfsbehausungen auf Privatgrundstücken aufgeschlagen und die bringt man nur für 1000.- Doller pro Zelt wieder los. Riedls haben z. B. ein Grundstück, auf dem 150 illegale Zelte stehen.
 
Ich dachte die Leute die wir ausbilden, könnten dann selber kleine Firmen, so wie bei uns nach dem Krieg einen Mittelstand aufbauen, aber – ohne Geld und Schulbildung, keine Chance. Also bräuchte man wieder einen Geschäftsmann, der die Häuser dort anbietet und die in der Holzschule ausgebildeten Leute dann (wieder als billige Arbeitskräfte) einsetzt.
 
Unser guter Professor Max Paul, den wir ursprünglich im Auge hatten, ist so dermaßen ein Chaot, dass er das sicher nicht kann. In dem Haus, das wir im Januar auf seinem Vorplatz bauten, wollte er sofort selber einziehen. „Er hat nur ein Problem.“ Seine Matratze ist so groß, dass er sie nicht in das Haus bringt. Jetzt schläft er weiter in seinem Betonhaus, das voller Sprünge und Risse ist und ihn beim nächsten „Wackeln“ verschüttet, falls er gerade zu Hause ist. Allerdings hat er mittlerweile 3 Häuser verkauft. Zwei so wie das erste Haus, das auf seinen Vorplatz steht und eines für den katholischen Pfarrer, der im Januar schon immer auf der Baustelle war.
 
Der Pfarrer hatte aber einen ganz anderen Plan. Nicht mehr die Grundfläche von 4 x 6 m und Zweistöckig mit steilem Dach, sondern einen 8 x 9 m Bungalow mit flachem Satteldach. Mit Max fuhr ich hin um den Rohbau zu besichtigen. Was ich da sah, überraschte mich absolut positiv. Ich war erstaunt, wie die Leute das was ich ihnen in nur 3 Tagen beigebracht habe, tadellos umgesetzten. Dieser Erfolg freut mich riesig, weil dieses „kleine Pflänzchen“, das ich im Januar hier her brachte, offensichtlich aufgegangen ist. Es war wieder mal ein Beweis, wie damals schon in Exjugoslawien (dort war ich nur zwei Tage und es stehen fast 1000 Häuser), wie einfach und effektiv diese Bauweise ist und welche Chancen darin stecken. So ist auch z. B. unser Serra Bürohaus in Rimsting in dem selben System gebaut.
 
Bei Familie Riedl, erlebte ich sehr starke Kontraste. Sie hatten das beste, bekannteste und erste Hotel in Haiti, in dem alle Prominetz weilte. Von Bill Clinton über Pret Pitt, zu Bill Gates. Beim Erbeben stürzte es ein. Es gab 100 Tote und die Frau war 5 Tage verletzt unter den Trümmern verschüttet und wusste nicht, ob sie je gefunden wird. 3 m neben ihr starb nach einem Tag in den Armen des Hotelmanagers ein Kind, das vor Schmerz ständig jammerte und schrie. Er starb eine Tag später. Seine letzten Worte waren: „Chefin ich kann nicht mehr, ich halte es nicht mehr aus, ich muss jetzt gehen“! Nadin Riedl und ich sind uns sehr sympathisch. Sie erzählte mir viel, aber ich möchte nicht alles weitergeben. Es bewegt mich sehr und ich kann nur leicht ahnen, was diese Frau mitgemacht hat. Wenn ich dabei an meinen Unfall denke, wie schnell ich versorgt wurde, wird mir wieder mal ganz deutlich, was wir an Deutschland alles haben und es heute leider viel zu sehr als selbstverständlich betrachten. Hätte ich meinen Unfall hier gehabt, ich würde sicher nicht mehr leben. Aus diesem Grund würde ich allen Jammerern und Zweiflern an unserem Land, gerne mal ein paar Tage Haiti gönnen!!!!!!!!
 
Am Sonntag war in das Privathaus von Riedls zum Essen eingeladen. Es gab unter vielem Anderem, gegrillte Zickleinrippchen in Mangoblätter gewickelt, guten Wein und tropische Drinks. Wir aßen von feinstem Porzellan und mit Silberbesteck. Die Möbel sind fast alle im haitianischen Art Decko Stiel. Am Samstag Abend war ich auch schon dort. Da gab es Fisch und feinstes Rinderfilet und natürlich auch haitianische Speisen. Alles serviert von schwarzen Angestellten, mit denen sie sehr respektvoll und menschlich umgehen. Wenn man 100 m vom tropischen Garten den Berg runter schaut, dann siehst man die armen Behelfsbehausungen und die Schutthalden, da wo einst Häuser standen. Der Unterschied zwischen Wohlhabend und Arm ist hier wie fast überall auf der Welt, wesentlich größer als bei uns. Ich bekam so ein wenig, wie soll ich es Ausdrücken, eine Art „Kolonialgefühl“.
 
300 m zurück zum Hotel wollte ich zu Fuß gehen. Die erste Hälfte begleitete mich ein Wachmann mit Schrotflinte und die zweite Hälfte des Weges wurde ich per Funk von einem von oben, ebenfalls mit Schrotflinte übernommen. Wenn wir mit dem Auto fuhren, dann nur mit einem schusssicheren schweren Toyota Geländewagen. Die Seitenfenster sind nicht mehr zu öffnen. Die Gläser sind mindestens 2 cm dick und extrem schwer. Das ganze Auto wiegt über eine Tonne mehr.
 
Ob es mit der Schule etwas wird, weiß ich nicht. Da muss noch viel recherchiert werden. Am 21. Mai ist hier eine Messe für Billighäuser. Es kommen weltweit 70 Aussteller. Die Insider meinen allerdings, dass das wegen der Bill Clinton Stiftung sowieso an die Amerikaner geht und dann bekommt das diese Firma, die am meisten an die haitianische Regierung schm.....! Bisher bekam ich zufällig einige Entwürfe von Häusern zu sehen, die auf der Messe ausstellen. Es sind alles Billighäuser aus Sandwichpanelen (zwei Bleche, die mit Styropor ausgeschäumt sind). Egal ob sie aus USA, China oder Italien kommen. Sie werden zu einem Festpreis angeboten. beim Aufbau werden Haitianer dann kurz beschäftigt, aber es gibt keine Nachhaltigkeit, weder für die Häuser und noch weniger für die Menschen. Unser System wäre da ganz anders, aber da müsste ein ortsansässiger Idealist einsteigen, bei dem das Geld nicht wie üblich an erster, sondern erst an zweiter Stelle kommt. Vielleicht ist Riedls Schwiegersohn der Richtige. Er ist voller Idealismus und möchte gerne in dem Land etwas ändern und in die Politik. Seine Frau ist allerdings dagegen; Zu gefährlich!
 
Nachdenklichkeit:
 
Wenn es mit der Schule nichts wird, bin ich sicher auch nicht traurig. Mir würden sicher viele Mühen und Entbehrungen erspart bleiben. Wenn es, wie man so schön sagt, „von oben gewollt ist und ich das Werkzeug dafür sein soll“, dann wird es sicher Werden, wenn nicht, dann war es eine sehr reiche Lebenserfahrung..........
 
Die letzten zwei Tage, die ich als Zeitreserve übrig habe, bin ich wieder am Strand. Dieses Mal in einer großen, ganz neuen Anlage, mit „all Inklusive“. Ich laufe mit blauen Bändchen am Arm herum und spreche neben den vielen Kanadiern, die nur 4 Flugstunden, so wie wir zu den kanarischen Inseln, entfernt sind und mit deutschen Rentnern, die für ihren zwei- oder dreiwöchigen Aufenthalt, kaum mehr bezahlten als ich für den Flug alleine. Scheinbar immer noch ein gutes Geschäft bei diesen Löhnen, von nur 200.- € für die Hotelangestellten.
 
Heute Abend flieg ich nach Hause und am Montag um 16 Uhr ist der entscheidende Ortstermin mit Bürgermeister, Landrat und Regierung von Oberbayern für das Mehrgenerationenprojekt in Seeon. Bitte halte mir die Daumen.
 
Frei iaz wieder auf Dahoam, obwohl es nur eine Woche währt, ehe ich wieder  für 14 Tage nach Südamerika fliege. Hab mir aber jetzt ganz fest, mindestens ein halbes Jahr „Flugabstinenz“ verordnet, denn Reisen kann auch eine Art Droge werden und Drogen machen nicht frei, sondern Abhängig!!!
 
Ganz liebe Grüße aus der „neuen Welt, an die Alte“,

Hans

6. Mai 2011

Die erste Modenschau nach dem Erdbeben,
die just an dem Tag, an dem ich im Hotel Montana bei den Riedls ankam, dort stattfand.

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Das Holzhaus ist eines der 3 Häuser, die die Haitianer nach meiner Schulung im Januar, bereits alleine bauten ......

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.... und der junge Mann ist Riedls Schwiegersohn, der den Holzimport und den Verkauf von Häusern oganisieren könnte.

Die eingstürtzte Parkgarage des Hotels. Darüber befand sich ein Einkaufsmarkt.

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Die Alltagsfotos machte ich morgens zwischen 7 und 8 Uhr aus dem Auto auf der Fahrt zum Flughafen,
die durch den üblichen Stau und die abgedunkelten Scheiben gut zu "schießen" sind.

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Zum Schluss das "Traumhotel" wieder in der Dominikanischen Republik, aber auf der selben Insel.

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