1. Januar 2011. Als erstes möchte ich auf diese Weg ein gutes neues Jahr wünschen. Da mir das immer zu allgemein ist, sage ich dann immer: „Ich schließe mich den Wünschen an, die Du Dir aktuell gerade wünscht, denn Du weißt es selber am besten“! mit diesem Satz wünsche ich das jetzt auch auf diesem Weg.
Villarrica, die Stadt in der mein Markt liegt, ist mit seinen 30 000 Einwohnern, eine Mischung aus Wildwest, eher ärmlich lateinamerikanisch und ein bisschen europäisch. Allerdings großzügig angelegt, mit breiten Grünstreifen zwischen Straßen und Gehsteigen, denn sie ist aber immerhin Bezirkshauptstadt und Bischofssitz. Der Bürgermeister ist zugleich auch so etwas wie bei uns der Landrat, denn er ist für den ganzen Bezirk zuständig. Von meinem Markt ist er sehr angetan und er besucht ihn auch regelmäßig. Man erzählte mir, dass er auf Versammlungen immer mal, eine herzerwärmende Geschichte erzählt: „Ein reicher Gringo aus Europa kam eines Tages in diese Stadt und fand einen total heruntergekommenen Markt vor. Er verliebte sich in eine arme Indianerin und baute für die ganzen Leute einen neuen Mark…..usw.“ „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch…..“ Das Leben ging allerdings weiter und aus der Liebe wurde mit der Zeit eine Bruder/Schwester Beziehung und den Gringo nerven das jährliche nach Chile fliegen und Probleme dort zu lösen immer mehr, so dass er bei einer guten Gelegenheit den Markt in andere Hände geben wird. letzteres erzählt der Bürgermeister der vor seinem Amt männliche Hebamme war, natürlich nicht.
Sämtliche Ämter, und Büros für die ganze Region sind hier so konzentriert, dass sie gut zu Fuß erreichbar sind. Und so renn ich unzählige Male vom Grundbuchamt zum Notar, zum Steueramt und das ganze wieder von vorne, denn es muss alles beglaubigt werden und man braucht furchtbar viele Papiere, dessen Beamtendeutsch ich nicht mal gut auf deutsch lesen könnte, geschweige denn auf spanisch. Sogar ein Mietvertrag von 50.- oder 100.- € im Monat mit einem Ladenmieter muss notariell beglaubigt werden. Der Grund die Schattenseite dieses schönen Landes: Hier versucht tatsächlich Jeder Jenden über´s Ohr zu hauen. Du kannst wirklich niemandem richtig trauen. Wenn bei uns jemand einen anderen betrügt und es kommt raus, dann ist er gesellschaftlich geächtet, hier wird er als besonders schlau angesehen. Es ist fast wie ein Sport. An diese Mentalität hier, kann ich mich überhaupt nicht gewöhnen. Nur schlimm, dass die ganze Wartereien in diesen Ämtern, oft sind es bis zu zwei Stunden, einen Großteil meiner Zeit hier verschlingen.
Am schlimmsten war es mit meinem Grundstück draußen am Meer. Gudrun eine Deutsche hat ein Hotel nebenan und sie bettelte mich, dass ich es kaufe und sie versprach mir, dass sie sich um alles, um den Bau des Hauses, der späteren Vermietung und alles was dazu gehört, kümmern werde, da ich ihr Traumnachbar sei. Da ich sie schon seit Jahren kenne, vertraute ich ihr. Kurz darauf verkaufte sie das Hotel und kümmerte sich auch nur schlampig um den Bau, der noch dazu teuerer wurde als ausgehandelt. Mit den neuen Besitzern musste ich mich dann dementsprechend Arrangieren. Jetzt merkte ich erst, dass das Grundstück, obwohl schon vor fast drei Jahren gekauft, im Grundbuchamt dort noch nicht mal auf meinen Namen eingetragen war, geschweige denn die Genehmigung des Hauses. Der junge Rechtsanwalt deutscher Abstammung, der den Auftrag von mir bekam, das alles zu regeln, wird wegen Unterschlagung derzeit in Spanien gesucht. - Ja und wenn das Haus nicht genehmigt ist, wird auch kein Strom oder Wasser angeschlossen. Erst musste ich die nötigen Papiere in Villarrica besorgen und dann bin ich dreimal in das ca. 100 km entfernte San Jose de Maricina, zum zuständigen Grundbuchamt gefahren, denn immer wieder hieß es, „Papel falta“, Papier fehlt! Jetzt kann es dann dort weitergehen und ich hoffe die neuen Besitzer, sie eine Deutsche und er ein Chilene, der in Deutschland lebte und die sich mit dem Hotel einen Traum erfüllten, regeln noch alles. Sie haben es derzeit gemietet. Nur ihr Happy end ließ sich nicht ein. Sie haben sich getrennt und wollen das Hotel wieder verkaufen. Hoffentlich zusammen mit meinem (dann genehmigten) Haus.
Die Altstadt von Villarrica liegt auf einer breit gezogenen Halbinsel, von deren Promenade man einen ähnlichen Blick wie von Seebruck aus über den Chiemsee genießt. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass zwischen Reit im Winkel und Kufstein ein fast 3000 m hoher schneebedeckter und offener Vulkan, der fast immer ein bisschen raucht, die umliegenden Berge „eingeteigt“ hat. Villarrica heißen auch der See, der etwas doppelt so groß als der Chiemsee ist, als auch der Vulkan. Vom Markt aus sind es nur ein paar hundert Meter zu Ufer und ein halbstündiger Spaziergang vereint einen mit der Promenade und der Innenstadt.
Das Klima ist ähnlich wie bei uns. Manche Tage, derzeit bis zu 30 Grad. Nur die Winter sind wesentlich milder. Da der Boden nicht einfriert, liegen auch die Wasserleitungen flach, was immer wieder schnell zu Beschädigungen führt und Wasser dann oft tagelang die Straße runter läuft, denn Regenwasserkanäle gibt es nicht und wenn es dann einen Teil der über 2000 mm Niederschläge im Jahr regnet, kann man oft die Straßen nicht überqueren.
Wenige Tage nachdem ich in Chile ankam, bekam ich ein Mail von Max Paul, dem Professor aus Haiti, dass der Container jetzt frei sei und dass ich so schnell als möglich doch kommen möge. Das brachte natürlich meine ganzen Pläne ein wenig durcheinander und alle Dinge die ich hier zu erledigen hatte – und es waren nicht wenige, schoben sich auf die Tage um Weinachten bis Neujahr zusammen. Hier sind sieben Tage in der Woche die Geschäfte geöffnet, außer am ersten Weihnachtfeiertag und heute am ersten Januar.
Ich bin dann die 85 km nach Temuco zu „Germaniatour“, einem deutschen Reisebüro, gefahren und habe nun für den 5. Januar meinen Abflug nach Haiti über Santa Domingo um 14 Tage vorverlegt. Den Rückflug nach Deutschland von Santiago nach Santa Domingo umzubuchen ging nur über mein Reisbüro in Prien. Manchmal ganz gut, wenn man nicht alles am Computer bucht. Mir ist nicht ganz wohl bei dem Gedanken noch mal nach Haiti und dieses Mal ganz alleine fahren zu müssen.
Weihnachten feierten wir am Nachmittag mit den Marktleuten in der Ruca. Es war ganz schön, aber auch ganz anders. Wäre es sicher bei uns auch, wenn wir Weinachten Ende Juni feiern würden. Hier wird viel gegrillt und am Ortseingang ist am 24. und 31. Dezember ein regelrechter Viehmarkt, meist mit Schafen. Die Tier überleben dann das neue Jahr nicht mehr. Der Abend war dann langweilig. Ich kaufte ein paar Geschenke für die zwei Kinder, aber die saßen dann lieber vor dem Fernseher und schauten Comics an und so entschied ich mich, einen ausgedehnten Abendspaziergang zu machen.
Am ersten Weihnachtsfeiertag besuchte ich die Schwester von den Mayer Mellenhofs aus Salzburg, Nachkommen von Erzherzog Johann. Die Familie besitzt hier viel Land und ein Sägewerk, leider keine Serra ))-; Der große Besitz grenzt direkt am See an und man hat einen wunderbaren Blick auf die Andenberge und den Vulkan. Es ist immer wieder schön, sich in bayerischen und salzburgerischen Dialekt hier zu unterhalten.
Gestern war ich bei ganz interessanten Aussteigern. Er aus Bad Tölz und ehemals bei der Bundeswehr als Pilotenausbilder auf der Transall und sie aus Hannover, ehemals jüngste Lufthansapilotin Deutschlands. Sie leben jetzt hier etwas abgelegen mit ihren zwei Kindern, etwa 20 km von Villarrica entfernt auf 5 ha Land. Dort bauten sie Haus und Hundezwinger für ihre Huskys. Bald werden es über 48 Hunde sein mit denen sie eines der letzten großen Abendteuer der Welt anbieten und zwar die Winterüberquerung über die Anden nach Argentinien. Die zehntägige Reise mit Zelten und Proviant kostet gut 2500.- €. Dafür ist es aber keine Kutschenfahrt mit Hunden, wie sie sagen, sondern jeder Teilnehmer fährt seinen eigenen Schlitten mit sechs Hunden selber. Sie erzählen mir, dass ihre Hunde Sibirische seien und dass diese nachweislich seit über 5000 Jahren gezüchtet würden. Die Grönländischen und die Alaskahunde sind schwerer und schneller, haben aber keinen so guten Charakter. Diese Hunde wurden auf 3 Eigenschaften gezüchtet. Die Jagd, sie bringen sogar die gefangene Beute zu ihrem Herrn nach Hause, den Transport der Menschen, das Schlitten ziehen und das wärmen der Kinder im kalten Winter. Wegen letzterem sind die „Sibirer“ auch so Menschenfreundlich.
Die letzten Tage waren auch noch mit sehr vielen „Reunionen“, wie hier die Versammlungen heißen, gepflastert. Ich sprach auch viel mit Max, meinem Administrator und besonders mit „meinen Indianern“. Ich bin hier mittlerweile so was wie ein Vater im Markt. Die Leute haben sehr viel Vertrauen zu mir, manchmal zu viel, da sie mit allem zu mir kommen. So baten mich die Indianer immer wieder um eine Besprechung und fragten, was sie machen könnten um mehr zu verkaufen. Ich sagte dann, dass sie ihre Jeans wieder gegen ihre traditionellen Kleider, so wie in Guatemala und bei uns in Bayern tauschen sollen, denn vor ein paar hundert Jahren seien wir ja auch noch Indianer gewesen und heute besinnen wir uns auch wieder auf die alten Werte mit Dirndl und Lederhose. Weiter sollen sie doch mal ihre 20 Kartoffelsorten anbieten, denn hier sei ja schließlich die Heimat dieser Wunderknolle, ohne die die heutige Menschheit gar nicht mehr zu ernähren wäre. Ich versuch bei diesen Besprechungen immer wieder ihr angeschlagenes Selbstbewusstsein und ihre Tradition zu stärken. Sie sind sehr stark in Kooperativen zusammengeschlossen und sind sicher nicht dümmer als die Chilenen, aber ich erlebe sie als viel ehrlicher. Allerdings sind die Jungen Indianer im Markt genau so am Computerspielen wie bei uns. Ihr Gemüse das sie mitbringen ist sicher alles biologisch, da sie für Chemie gar kein Geld hätten. Ich sagte, dass sie dafür Schilder schreiben müssen, denn ein Geschäft ohne Werbung, sei wie eine Pflanze ohne Wasser – und die könne sich auch nicht entwickeln.
Bis zu 60 km Entfernung kommen sie in den Markt und sie leben hier auch so eine Art von Großfamilie. Bald sind es dann, wenn mein Freund Marin im Mai mit seinem Lo-food Restaurant anfängt, 3 Kooperativen im Markt. Er war letzten Oktober in Turin auf einem internationalen Indianer-Kongress und kam mit dieser Idee nach Chile. Leider gibt es hier mittlerweile auch sehr viele dicke Menschen. Hilda, die Chefin der Rucka, dankte mir sehr für die Chance die ich ihnen gegeben habe und sagte der Name „Fritz“ müsse für diesen Markt immer bleiben, so wie Straßennamen. Sie ließ es sich auch nicht nehmen, mir unbedingt ihr Reservat zu zeigen. Wir besuchten mehrere Mitglieder, die den Markt beliefern. Für viele ist es die einzige Möglichkeit Geld zu verdienen. Sie leben sehr ärmlich in kleinen Hütten. Haben mehrere Obstbäume, viel Viehzeug und große, sehr gepflegte Gärten. Gemüsearten und Obstbäume sind meistens die selben wie bei uns. Ganz am Ende lebt der Schamane, der im Markt immer die Zeremonien gegen die schwarze Energie macht. Ein dürrer Hund wartete vor einer total kleinen und einfachen Hütte zwischen lauter Urwald und Bambusgestrüpp. Ein Herd, eine Liegestatt, kein Bett, ein wackeliger Tisch und zwei Stühle waren alles in der Hütte – und in der Ecke, es ist kaum zu glauben, lief ein Farbfernseher.
Es gäbe nach viel zu erzählen, von total hilfsbereiten Polizisten, die uns 2 Stunden halfen unseren Toyota wieder aus dem Schlammloch zu befreien, das in einem Waldweg zwischen jahrhunderte alten Coigües festsetzte. Aber am 5. Januar geht es ja schon weiter zum nächsten Abenteuer.
Ganz herzliche und liebe Grüße mit allen guten Wünschen für 2011
Hans |