Kam gestern nach einer Vierstündigen Busfahrt, mit einem chinesischen Bus (den Typ kenn ich schon von meiner Reise vom vergangenen September nach Shanghai), in Guatemala City wieder an, der viertgefährlichsten Stadt der Welt, laut einem PM Magazin. Bis zu 25 Tötungen pro Woche, sollen es laut dem Magazin, hier in der Millionenstadt (der Regierungsbezirk hat 2,5 Millionen) sein. Die meisten wegen Drogen oder für Organspenden. Vorletzte Woche erzählte mir Federico mal so nebenbei, dass er seinen neuen Toyota Geländewagen, mit dem wir immer zu seiner Baustelle fuhren, jetzt auch Panzern lassen will. Kostet 20 000.- Dollar und wiegt 700 kg. Seine vier Kinder zwischen 17 und 24 studieren in USA und er ist froh, weil sie dort sicherer sind.
Für alle die mir möglicherweise ein wenig neidig sein könnten, wegen meiner vielen Erlebnisse, möchte ich auch mal kurz die andere Seite beschreiben. Mittlerweile habe ich in Bett Nummer 8 geschlafen. Jedes Mal mehr als 30 kg Gepäck mitschleppen, anderes Bad, andere Duschen, teilweise kalt, Toilettenschwimmer die nicht schließen, das ständig wechselnde Essen, sicher auch mal mit ein paar „Salmonellchen“, da ich gerade einen zweitägigen Durchfall hinter mir habe. Bin da immer wieder glücklich über mein offenbar doch recht robustes „Bauernhof-Immunsystem“ (-; Dazu kommen noch der Sonnenbrand auf Nacken und Ohren von der Baustelle auf der Höhe und die kleinen Holzspreißeln in den Händen. Knochen, Rücken und Gelenke schmerzen von der harten Arbeit, abends dann auch dementsprechend.
Nach sieben Tagen Guatemalaaufenthalt, mit davon sechseinhalb Tagen harter Arbeit, wollte ich nicht gleich wieder weiterfliegen und vom dem Land noch anderes sehen und erleben und so buchte Maria Olga meinen Weiterflug nach Temuco in Chile (S.. teuer, 1200.- €) erst für Montag ein und ich blieb ein paar Tage oben in der Gegend von Quetzaltenango. So heißt der Regierungsbezirk (ca. 1 000 000 EW) mit der Hauptstadt Xela (ca. 100 000 EW).
Henry 29 und Vivian 27, die Tochter von Norma (muss da immer auch an Lidl und Aldi denken), beide erst seit ein paar Monaten verheiratet, nahmen sich 2 Tage frei und chauffierten mich mit ihrem kleinen Fiat. Henry arbeitet in der Verwaltung, hauptsächlich am Computer und verdient 270.- € und Vivian arbeitet für 210.- € als Köchin. Die Wohnung kostet 50.- € und das Benzin gut die Hälfte wie bei uns. Die Beiden sind sehr modern und gleichzeitig auch sehr traditionell und fromm.
Da ich mich in einer der Hochburgen der Mayas befand, war es mein Ziel, mehr über ihre Kultur und ihre Spiritualität erfahren. Spricht doch mittlerweile die ganze Welt vom Ende des Mayakalenders 2012. Die Beiden erzählten mir, dass dieser Kalender über 5000 Jahre alt sei und er am 21. Dezember 2012 endet, es aber nicht der Weltuntergang sei, sondern „nur starke Veränderungen“. Der Kalender existiert in Stein gehauen, ursprünglich in Peten, im Norden Guatemalas. Leider dort nur mehr als Kopie (das Original ist in einem Museum in London). Ist leider zu weit weg, um ihn zu besuchen.
Wir fuhren noch kurz am Stadthaus von Norma vorbei. Zur Straße hin befindet sich ein Tor, zu einen Innenhof, der von niederen Bauten eingefasst ist. Als erstes zeigten sie mir die christliche Hauskapelle, die ähnlich wie bei uns ist. Derzeit mit Krippe und vielen künstlichen Blumen. In einem hinteren Teil, nach einem weiteren Innenhof, dann die Mayakapelle. Im Mittelpunkt thront etwas erhöht der Sansimon, (ausgesprochen Maschimon) eine Puppe in der Größe eines etwa zehnjährigen Kindes auf einem Stuhl unter einem beleuchteten Blumenkranz. Sie ist schön angezogen mit Hut Krawatte und hält in der Hand einen Spazierstock. Ich erinnere mich dabei eine interessante Parallele, als ich in Murau in der Steiermark mal zufällig in eine Prozession kam, bei der eine riesengroße Männerfigur namens „Samson“ mitgetragen wurde. Der Sansimon hat vor mehreren tausend Jahren mal gelebt und wird ähnlich verehrt wie Christus. Neben dem Altar stehen viele Utensilien. Kerzen, alte Steinfiguren, auch so etwas wie Faustkeile und Blumen, unter anderem auch christliche Heilige und natürlich immer wieder die Madonna- Imaculata, die hier Guadelupe heißt und an der Wand hängt ein Kruzifix.
Anschließend brachten mich die Beiden zu einem Ort mit engen Gassen zu einem Haus in dem ebenfalls ein Mayaltar aufgebaut war. Als erstes war eine „Reinigung“ dran, damit ich rein genug bin um später die heiligen Stätten besuchen können. Im Raum brannten viele Kerzen, auf einem Stuhl saß wieder der Sansimon, diesmal in Lebensgröße. Vorher musste ich noch für 3.- € Opfergaben kaufen. Eine große Kerze, einen Büschel frische Pflanzen, namens Ruda, die ich auch schon als heilige Pflanze in Peru kennen lernte und ein paar Fläschchen mit wohlriechendem Wasser. Der Großvater von Henry, ein kleiner alter Mann, der nicht mehr gut hörte, wartete schon um die Zeremonie neben dem Sansimon bei mir vorzunehmen. Henry sagte ehrfurchtsvoll, dass sein Opa auch ein Schamane sei. Erst umkreiste er meinen Körper mit einer brennenden Kerze, dann mit dem Büschel Ruda und dann sagten sie, ich solle die Augen schließen, da ich mit dem Parfumwasser besprüht würde. Ich sah zwar keinen Sprüher, aber ich wurde erst ins Gesicht und dann am ganzen Körper besprüht. Als der Rücken dran war, machte ich die Augen auf und sah dann, dass er immer einen kleinen Schluck von dem Parfumwasser in den Mund nahm und ihn dann in meine Richtung hinaus blies. „Das selbe System“ hatte ich vor Jahren schon mal im Norden Thailands erlebt. Zum Schluss bekam der Sansimon noch aus dem anderen Fläschchen zu trinken, indem man ihn zurückkippte und ihm die Flüssigkeit in den offenen Plastik-Mund einflößte. Unten stand eine Schüssel, die sie auffing. Anschließend knieten sich die Beiden hin (was ich allerdings zuvor nicht tat) und ließen sich ebenfalls „reinigen“.
Henry erzählte mir, dass in diesem Ort der Sansimun jeden Tag in einem anderen Haus zu Gast ist. Jede Familie richtet dann einen Raum als Kapelle ein. Es ist immer eine große Ehre in zu beherbergen und jeder im Dorf kann ihn dort besuchen. Der ganze Raum ist schön hergerichtet und ist gemischt mit christlichen Attributen. Verehrt werden abwechselnd die christlichen und auch die Maya Heiligen. Darunter auch die Vulkane, von denen einer wieder Maria heißt. Jeden zweiten Tag wird der Mayagott mit einer anderen Kleidung neu angezogen.
Im Grunde genommen ist es nichts anderes als die gleiche Volksfrömmigkeit, wie sie bei uns auch heute noch, besonders in Regionen in denen die Unbillen der Natur stärker wirken, wie z. B. in den Alpenländern, zu finden ist. Immer mit Wasser, Feuer, Rauch, Farben, Ritualen und Pflanzen! Von der Psyche aus betrachtet, gibt es den Menschen Halt, fördert die Gemeinschaft und den Zusammenhalt und lässt Rückschläge besser Verkraften. Nach meinen Feststellungen funktionieren diese Systeme auf der ganzen Welt gleich. Entweder über Religion oder Ideologien.
Nach dieser Prozedur brachten mich die Beiden erst mal zu einem relativ einfachen in einem Hang gebautem Hotel mit angeschlossener Vulkan-Dampfsauna. Der heiße Dampf kommt direkt aus der Erde. Ich war aber für alles zu müde und abgearbeitet und wollte nur noch schlafen, was ich dann auch 12 Stunden lang tat, nur unterbrochen von ein paar „P…Pausen“. Diese Pausen sind nicht einfach, da es in diesem Zimmer fast noch kälter war, als in dem Hotel in der Stadt. Das Aufstehen erinnert mich an meine Kindheit, wenn die Zudecke an der Stelle immer steif gefroren war, an der die Atemluft kondensierte.
Am nächsten Tag holten mich die Beiden pünktlich um 8 Uhr 30 ab. Wir machen uns immer den Spaß „deutsche Zeit“ zu sagen, denn das heißt „Pünktlich“. Jeder hier weiß, dass die ganze Welt unpünktlicher ist, als wir Deutsche. Wir fuhren runter in Richtung mexikanische Grenze, vorbei an einem rauchendem Vulkan, auf ca. 1000 m Höhenmeter und zogen ein Kleidungsstück nach dem anderen aus, da es wieder richtig heiß wurde.
Im Haus von dem Schamanen, gab es auch wieder eine Mayakapelle. Über der Eingangstüre ein Schild, auf dem „Clinica Spiritual“ steht. Erste legte er Karten und dann entzündete er im Innenhof in einer Art zweistöckigen offenen Kamin ein Feuer mit einer ganzen Schüssel voller Harzbällchen, die eine sehr große Hitze erzeugten. Dann führte er eine ähnliche Reinigungs-Zeremonie bei mir durch, wie am Tag zuvor der kleine Mann, aber diesmal ohne Sprühung (-; Manchmal brannte das Feuer ganz normal und wenn er es befragte und betete, dann entfachte es wieder ganz stark und aus der Drehung der Flammen konnte er lesen. Sie drehten bei mir immer nach Rechts, was eine positive Antwort bedeutete. ((-; Er schloss dann die Augen, fing an zu zittern und sagte dann offensichtlich in Trance, dass das mit den Holzhäusern eine sehr gute Sache sei und dass ich mindestens 95 Jahre alt werde, was er dann in einer zweiten Befragung sogar auf 97 revidierte und ich dabei aber immer stark beleiben werde. (Demnach habt mich noch lange auf dem Genick.) In den Worten seiner Gebete kamen, soweit ich sie verstehen konnte, die christlichen Heiligen ebenso wie die Mayaheiligen und die Vulkane vor.
Die Beiden jungen Leute, die natürlich der Zeremonie beiwohnten, waren sehr ergriffen und erzählten mir hinterher, dass der Schamane einer der besten in ganz Guatemala sei und schon über 30 Jahre praktiziere und auch die Norma, die Mutter von Vivian, die übrigens auch schon mal vier Jahre Ministerin in Guatemala war, schon seit vielen Jahren hier her komme. Im doch ganz gesalzenem Preis für die Zeremonie, sei aber auch noch die Arbeit die er die folgenden Nacht in meiner Abwesenheit für mich macht, auch dabei. Das geht nur in der Nacht, da die Erde da eine andere Schwingung hat und eine andere Energie.
Alle hier in der Stadt sagen, dass die Indianer sehr misstrauisch sind, da ich aber jetzt diesen „Freifahrschein“ von dem Schamanen habe, haben sie zumindest zu mir vollstes Vertrauen. Na, wie sagen wir in Bayern: „Wenn es nicht helfen sollte, dann schadet es wenigstens nicht“! („Wenns ned hiafd, nachad schods ned“)
Anschließend besuchten wir noch 2300 Jahre alte Maya- Ausgrabungen und gingen in ein Mayarestaurant zum Essen. Die Straße dort hin führte durch Gummibaumplantagen. Autoreifen brauchen auch heute noch mindestes 10 % Naturgummianteil und Guatemala ist einer der großen Produzenten dafür.
Am nächsten Tag holten sie mich auf die Minute pünktlich um 7 Uhr ab. Die Temperatur lag bei - 4 Grad und der Boden war voller Reif, der sich wie ein weißer Schimmel über die schattigen Flächen legte. Geduscht hatte ich mich, obwohl ich sonst eher Morgenduscher bin, in weiser Voraussicht, schon am Abend.
Als erstes kamen wir zu einem Ort, an dem es 9 Natur-Altäre gibt, die sicher über 1000 Jahre alt sind, erzählt mir Vivian. Einen besuchten wir. Es ist eine kleine Felswand vor einem etwa fünf Meter breiten Plato, über einer sicher 300 m tiefen Schlucht. Der Felschen ist schwarz von den Feuern davor. In den Felsnischen stehen Kerzen und die etwa 15 Leute die bei der Morgenkälte schon da sind, beten Innbrünstig auf „maya-christlich“. Wir kauften natürlich in dem kleinen Laden vorher auch ein Paar Kerzen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass hier noch kein Tourist vor mir gewesen ist. Aber nun war ich ja auch schon so etwas wie ein Eingeweihter (-:
Weiter ging es hinauf auf über 3000 m und dann wieder runter auf 1000 durch eine chaotische Stadt und wieder hinauf auf 3000 m zu einem schönen Aussichtberg auf dem sehr viel Energie sein soll, wie mir Vivian erzählte. Ich machte andächtig mit. Die Leute dort oben sind sehr arm und eine ganze Kinderschar lief uns bettelnd entgegen. „Ja nichts geben“, ermahnte mich Henry!
Das Goethewort „der Weg ist das Ziel“, viel mir oft ein, mit dem was ich so alles am Wegsrand und auf der Straße sah. Nicht nur, dass trotz Bewaldung es offensichtlich keine Sägewerke gibt, da die wenigen Bretter die ich am Wegesrand so sah, alle Oberflächenspuren von Motorsägenschnitten aufwiesen, sondern auch die vielen kleinen Felder und den Schweine- und Rindertransport mittels Pickup. Lustigerweise hat sich auch eine Partei unsere Nationalfarben ausgesucht. An vielen freien Flächen neben der Straße sieht man immer wieder Schwarz, Rot, Gelb.
Ganz liebe Grüße
Hans |