Hab schon wieder
eine Menge erlebt, obwohl ich aus Villarrica wenig rauskomm. Ich habe
schon oefters die Erfahrung machen duerfen, dass mann mehr erlebt,
wenn mann an einem Platz lebt und nicht immer rumm rennt. Wenig stimmt
natuerlich auch nicht ganz, war z.B. am Wochenende fuer eine Nacht
am Meer.
Wenn wir von Deutschland aus an Suedamerika denken, faellt einem meist
nicht mehr als Amazonasurwald und Indios im Hochland ein. Dabei sind
in Suedamerika, wie in keinem anderen Erdteil der Welt, alle Klimazonen
die es auf der Erde gibt, zu finden. Hier ist es sehr aehnlich wie
bei uns, nur die Niederschlaege sind nicht so schoen verteilt. Hatten
seit 29. November erst 4 Regentage. Die Sommer sind meist trockener,
obwohl die gesamten Jahresniederschlaege hoeher als bei uns sind.
Die Gegend ist sehr landwirtschaftlich gepraegt.
Die Kleinbauern
sind fast alle Maputcheindianer, die ihre Erzeugnissen oft in die
Stadt anbieten (z.Z. unter anderem Kirschen und Erdbeeren) und die
Grossen, oft deutscher Abstammung, bewirtschaften die grossen Flaechen.
Neuerdings, seit weltweit die Agrarpreise stiegen, steigt auch der
landwirtschaftliche Nutzgrund stark an. Die Milchspezialisten aus
Neuseeland kaufen sich momentan stark ein. Milch und Fleisch sind
die Haupterzeugnisse, aber auch Blaubeeren und neuerdings sogar
Haselnuesse fuer Hanuta.
Arbeitsaufwendige
Sonderkulturen sind hier sehr wirtschaftlich, da die billigen Loehne
den weiten Transportweg mehr als wett machen. Kuerzlich nahm ich
zwei Anhalterinnen mit, die 50 km zum Blaubehrpfluecken fahren.
Pro Stunde verdienen sie knapp einen Euro. - Na ja, ist fuer Dich
vieleicht nicht so interessannt, aber ich bin hald doch noch ein
bisschen Bauer.
Die Wild-Tierwelt
hier ist nicht so aufregend. Ausser Pumas, Hasen, Kanienchen und
eine kleine Rehart, gibt es nicht viel. Giftige Schlangen findet
man ebenfalls keine. Die Europaeer haben die Natur aber ganz schoen
durcheineander gebracht. Nicht nur den Rothirsch, auch die ueberall
wuchernden Brombeeren, die Apfel-, Birnen-, Kirschen- und Zwetschgenbaeume,
sondern auch den Ginster haben wir gebracht, der zwar wunderschoen
gelb blueht, aber viele heimische Pflanzen verdraengt. Die Voegel
sind viel zahmer als bei uns. Sehr auffallend ist eine Brachvogel-
und eine Falkenart. Am Meer natuerlich viele Moeven, Geier und Pelekane.
Condore sieht man hier eher selten. Spatzen gibt es wie ueberall
auf der Welt.
Wie schon erwaehnt
sind die Loehne sehr nieder. Der gesetzliche Mindestlohn 200.- Euro,
abzueglich Sozialleistungen, die allerdings nicht sehr hoch sind.
Krankenversicherung ist nicht Pflicht. Viele haben keine, was die
Familien oft an den Rand dess Ruins bringt. Marias Kopfoperation
hat ueber 20000.- Euro gekostet und waere ohne Hilfe aus Europa
nicht moeglich gewesen. "Wenn kein Geld da ist, wird eben gestorben",
lautet die Devise. Was allerdings interessannt ist, dass das im
September geborene Enkelkind von Maria bereits in den Babykindergarten
geht. Eine staatliche Einrichtung, um den vielen ledigen und meist
von den Maennern sitzengelassenen Frauen den Arbeitsprozess zu erhalten.
Samstag,Sonntag
war ich mit Jorge, der hier mit einer Serrasaege arbeitet, in seinem
Haus am Meer beim fischen. Die Straende, ca. 7000 km in Chile, sind
wunderschoen, aber das Wasser, hier unten nur ca.10 bis 12 Grad
warm. Sein Haus steht als eines von nur ca. 10 auf einer hoch aufragenden
felsigen etwa 500 m langen Halbinsel mit wunderschoenen Sandbuchten
mitten im Maputschgebiet. Die Indianer duerfen kein Land mehr verkaufen.
Seit ca. 30 Jahren ist das verboten, da viele sonst alles versoffen
haetten. Viele von ihnen empfinden es aber als Diskiminierung.
Die Halbinsel
hat vor vielen Jahren ein heute 75 jaehriger Deutscher gekauft.
Kurt ist im Sudetenland geboren, war dann als Kind in Meklenburg
und als Jugendlicher lernte er Postbeamter im Rheinland, ehe im
alles zu eng wurde und er nach Chile auswanderte. Er hat hier in
vielen Berufen gearbeitet, ist nicht reich, besitzt aber ein Keinod.
Er lebt dort ganz allein mit 10 Schafen, ein paar Huenern und einem
schoenen Gemuesegarten. Von seinen 350.- Euro Rente und den Einnahmen
von den Grundstuecken, auf denen reiche Leute Haeser bauten, kann
er leben, sagt er. Leider hat er sich vom vielen Rauchen seine Lunge
kaputtgemacht. "Anfangs war ich ein grosser Indianerfreund,
schliesslich habe ich ja auch Karl May gelesen, aber jetzt mag ich
sie nicht mehr, weil sie nicht die edlen Wilden sind, sondern falsch
und wortbruechig", sagte er mir. Die Indianer wissen aber ganz
genau, dass sie vor allem die deutschen Touristen lieben und nutzen
das teilweise auch sehr geschickt - Dank Karl May!
Gefischt wird
an den Sandstraenden mit Blinkern vom Ufer aus. Bis zu 5 kg schwere
Fische kommen ans seichte Wasser um die von der Brandung hochgespuelten
Krabben und Krebse zu fressen. Ich konnte nicht so lange fischen,
da ich es ohne Gummihose in dem kalten Wasser nicht lange aushielt.
Da hab ich dann eben mit Kurt philosophiert.
Heilig Abend
hatten wir moerderische 33 Grad. Der Boltsche, ein Foehn aus der
Halbwueste Argentinens bringt die heisse Luft. Nachmittag waren
wir dann bei jetzt 19 Grad Wassertemperatur schwimmen. Nachmittags
war Weihnachtsfeier mit den Mietern von unserem Markt und am Abend
dann Privat bei uns im Lokal. Marcell uns ich sangen Stille Nacht
in deutsch und die anderen in spanisch. Hoerte sich ein wenig durcheinander
an. Dabei waren auch, wie alle Jahre, ein 14 und 15 Jahre altes
Maedchen bei uns, fuer die Maria so eine Art Patenschaft uebernommen
hat. Sie wurden als Kleinkinder vom Vater missbraucht und sind seitdem
im Weisenhaus. Weihnachten werden wie bei uns zu Ostern die Laemmer
geschlachtet und ueberall gegrillt.
Zuhause wuerde
ich sicher nicht so viel schreiben, es ist aber eben schoen, mal
Musse dazu zu haben und meinen Freunden das Leben hier mitzuteilen.
Am 3. Jan. fahre
ich mit dem Nachtbuss 700 km nach Santiago. Kostet 50.- Euro und
ist wie First-Class im Flugzeug. Mit Klimaanlage, Essen, Trinken
und Bett zum Schlafen und am 4. fliege ich weiter nach Peru. Dort
treffe ich erst den Bruder von Lucia aus Prien (ihr Schwiegervater
baute mal Die Thyssenklinik in Prien, das heutige Kreiskrankenhaus)
und reise dann weiter nach Lima, wo ich noch ein paar Tage mit unserem
neuen Vertreter fuer Peru verbringen werde, ehe es dann in's Amazonastiefland
zu einem dreiwoechigen Seminar mit einem Schamanen geht. Wenn's
passt, moechte ich auch noch Cusco, Matschopitscho, und den Titicacasee
besuchen und dann wieder fuer ca. 10 Tage in Villarrica sein, ehe
ich voraussichtlich am 22. Februar heimkomme.
Beneide Euch
wegen dem schoenen Eis am Langbuergner See.
Ganz Liebe Gruesse
Hans
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